Sechs Kommunen im Fokus
Weiterbildung in Deutschland ist regional sehr unterschiedlich strukturiert. Damit unterscheiden sich auch die Chancen zur Teilhabe an Weiterbildung je nach Wohnort. Auf Ebene der Raumordnungsregionen konnte der letzte Deutsche Weiterbildungsatlas bereits zeigen, welche Faktoren die Weiterbildungsteilnahme der Bevölkerung begünstigen. Wichtig sind vor allem die gute Erreichbarkeit der Weiterbildungen, die Kooperation der zuständigen Akteure sowie unabhängige Beratungsangebote. Mit dem aktuellen Deutschen Weiterbildungsatlas für Kommunen (Kreise und kreisfreie Städte) wird der Fokus auf die Verhältnisse vor Ort noch genauer. Sechs Fallstudien illustrieren die unterschiedlichen Situationen vor Ort.
Zu den Fallstudien
Elbe-Elster - Neue Impulse durch kommunales Bildungsmanagement
Wunsiedel im Fichtelgebirge - Chancen nutzen im Strukturwandel
Darmstadt - Betriebsliche Weiterbildung als Schlüsselfaktor
Neumarkt - Den Bedarf im Blick
Starnberg - Hoher Bildungsstand, anspruchsvolle Weiterbildungen
Sonneberg - Weiterbildungsvielfalt durch anhaltendes Engagement
Auswahl & Vorgehen
Die in dieser Studie betrachteten Kommunen sind Elbe-Elster, Wunsiedel, Darmstadt, Neumarkt, Starnberg und Sonneberg. Ausgewählt wurden sie wegen ihrer besonders auffälligen Werte bei der Weiterbildungsteilnahme und dem Weiterbildungsangebot. In Elbe-Elster und Wunsiedel lagen zum Beispiel die Teilnahmequoten höher, als es die regionalen Strukturmerkmale erwarten ließen. In Darmstadt und Neumarkt übertraf die Teilnahme jene Quote, die statistisch auf Grundlage der vorliegenden Angebotswerte zu erwarten wäre. Damit verzeichnet Darmstadt sogar die bundesweit höchste Teilnahmequote. Die Landkreise Sonneberg und Starnberg wurden schließlich wegen ihrer hohen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Angebote ausgewählt.
Aufgrund dieser Besonderheiten eignen sich die genannten Kommunen besonders gut, um weitere Erfolgsfaktoren für die regionale Weiterbildung zu identifizieren.
Das bereits im vorangegangenen Weiterbildungsatlas bewährte Analysemuster für regionale Einflussfaktoren wurde weitgehend übernommen: Neben einer grundsätzlichen Charakterisierung der Kommunen anhand zentraler Rahmendaten steht die lokale Weiterbildung im Mittelpunkt. Die Studien beleuchten hierbei besonders die regional spezifischen Weiterbildungsangebote, bestehende Kooperationen sowie das jeweilige Beratungsangebot.
Jede Fallstudie betrachtet zunächst die regionalen Rahmendaten. Anschließend wird dargestellt, durch welche Besonderheiten sich die Weiterbildung in einer Region auszeichnet. Grundlage dafür waren Gespräche mit Verantwortlichen von ausgewählten Weiterbildungseinrichtungen bzw. -trägern, öffentlich finanzierten Weiterbildungseinrichtungen, Wirtschaftsverbänden sowie privaten Weiterbildungsinstituten.
Der Blick auf die kommunale Ebene illustriert, wie vielfältig Weiterbildung sein kann. Das gilt sowohl für die Rahmenbedingungen als auch für die Weiterbildungsaktivitäten selbst. Die Akteure in den Kommunen müssen sehr individuelle Lösungen finden, um auf regionalspezifische Anforderungen reagieren zu können.
Die nachfolgenden Fallstudien geben Hinweise und Impulse für eine zukünftige Gestaltung von Weiterbildung. Sie zeigen, welche Erfolgsfaktoren auch in anderen deutschen Kommunen von Bedeutung sein können.
Die Langfassungen der wissenschaftlichen Fallstudien sind Teil des Ergebnisberichtes des Deutschen Instituts für Erwachsenbildung und unter folgender Adresse abrufbar:
ergebnisberichte.deutscher-weiterbildungsatlas.de
Zusammenfassung: Weiterbildung in den Kommunen ist anfällig für Veränderungen
Weiterbildung in Deutschland unterscheidet sich regional sehr stark. So nehmen in den Kommunen unterschiedlich viele Menschen an Weiterbildungen teil. Dies lässt sich zum Teil auf die wirtschaftlichen und sozialstrukturellen Rahmenbedingungen der Kommunen zurückführen. Allerdings erklären diese Rahmenbedingungen nicht alles. Die regionalen Weiterbildungsangebote, die im Atlas nur in ihrer Anzahl und nicht in der Qualität gemessen werden konnten, spielen auch eine bedeutende Rolle. Wie aber werden diese Angebote auf die Bedarfe angepasst? Wie werden sie bekannt gemacht, sodass sie auch genutzt werden? Diesen Fragen wurde in den Fallstudien des Weiterbildungsatlas nachgegangen. Dabei bestätigten sich die bereits aus dem ersten Atlas bekannten Handlungsfelder. Zusätzlich zeigten sich aber auch die viele regionale Besonderheiten der ausgewählten Kommunen.
Eines der identifizierten Handlungsfelder ist die Kooperation der kommunalen Akteure in der Weiterbildung: von den Anbietern über Berufs- und Wirtschaftsverbände bis zu kommunalen Einrichtungen und Verwaltung. Starke Netzwerke und eine intensive Zusammenarbeit helfen dabei, ein auf die regionalen Bedarfe angepasstes Weiterbildungsangebot bereitzustellen. Ebenso wichtig ist eine unabhängige Beratung. Nur wenn die Bevölkerung über die örtlichen Weiterbildungsangebote informiert ist, kann sie diese auch nutzen. Einige Kommunen haben bereits entsprechende Beratungsstrukturen initiiert, wie das Beispiel „HessenCampus Darmstadt“ zeigt. Andere Kommunen sind noch dabei, unabhängige Beratungsangebote zu entwickeln. Ein weiteres Handlungsfeld in der Weiterbildung betrifft die Erreichbarkeit von Weiterbildungsangeboten. Gerade in den Kommunen spielt sie eine besondere Rolle, da nicht immer alle Angebote vor Ort vorgehalten werden können. In diesem Zusammenhang ist es natürlich entscheidend, wie lang die Anfahrtswege mit dem Auto sind und ob es Möglichkeiten gibt, Angebote auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Wirtschaftliche und demografische Entwicklungen als Chancen und Risiken
Neben den großen Themen Angebot, Vernetzung, Beratung und Erreichbarkeit kommen auf kommunaler Ebene zwei weitere Aspekte deutlich stärker zum Tragen, als bei der Betrachtung der Raumordnungsregionen: die wirtschaftliche Entwicklung und der demografische Wandel. Schon kleine Veränderungen der Rahmenbedingungen sind in den Kommunen direkt spürbar. Da Weiterbildung zu einem Großteil von der Nachfrage aus dem beruflichen Bereich bestimmt wird, bekommt die regionale Konjunktur hier ein besonderes Gewicht.
Wie stark Weiterbildung mit den wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen verknüpft ist, zeigen folgende Beispiele: In Neumarkt in der Oberpfalz zieht eine prosperierende Wirtschaft viele Familien an – parallel dazu steigt die Weiterbildungsteilnahme. Ganz ähnlich im urban geprägten Darmstadt mit seiner außerordentlich hohen Weiterbildungsquote: Hier gehen Bevölkerungswachstum und eine gute Konjunkturentwicklung Hand in Hand mit stark steigenden betrieblichen Weiterbildungsangeboten.
Der Landkreis Wunsiedel verzeichnet nach erfolgreichem Strukturwandel eine besonders hohe Teilnahmequote, obwohl seine Bevölkerung schrumpft. Transformationsprozesse in der lokalen Wirtschaft scheinen somit ebenfalls die Weiterbildung zu fördern. Im Landkreis Elbe-Elster liegt die Teilnahmequote schließlich doppelt so hoch, wie eigentlich zu erwarten wäre. Der Landkreis leidet unter hoher Abwanderung und Überalterung, profitiert aber stark durch die öffentlich geförderte Weiterbildung.
Auf kommunaler Ebene wirken sich also schon kleinste Veränderungen in Bevölkerung und Wirtschaft direkt auf die Weiterbildung aus. Welche Risiken und Chancen die jeweiligen Veränderungen mit sich bringen, muss vor Ort analysiert werden. Die Fallstudien zeigen allerdings, dass auch vermeintlich negative Entwicklungen durch Weiterbildung zumindest abgemildert werden können. In Zeiten des wirtschaftlichen Wandels können Beschäftigung und Attraktivität eines Standortes erhalten werden, indem man Erwerbstätige für die regionalen Wachstumsbranchen qualifiziert.
Weiterbildung muss jeden erreichen
Weiterbildung muss sich an alle Bürger richten und das in allen Lebensbereichen. Ob kulturelle Angebote oder die Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen: Besonders die Volkshochschulen spielen hier eine zentrale Rolle. Ein positives Beispiel dafür ist der Landkreis Sonneberg mit der höchsten Zahl an VHS-Kursen im Osten Deutschlands. Obwohl die Bevölkerung in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen ist, haben die Verantwortlichen in Sonneberg einen Weg gefunden, die Anzahl der Kurse auf hohem Niveau zu halten und damit der Bevölkerung ein vielfältiges Angebot zu offerieren.
Bereits im ersten Weiterbildungsatlas konnten signifikante Zusammenhänge zwischen dem Weiterbildungsangebot und der Weiterbildungsteilnahme aufgezeigt werden. Doch nicht immer profitiert die Bevölkerung auch von einem hohen Angebot, wie das Beispiel des Landkreises Starnberg zeigt. Dort nämlich liegt die Teilnahme deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, obwohl es eine große Zahl privatwirtschaftlicher Weiterbildungsanbieter gibt. Deren Angebote richten sich jedoch weniger an die lokale Bevölkerung als an nationale und internationale Kunden.
Zielgruppen nicht aus dem Blick verlieren – gerade bei negativen Entwicklungen
Schwierig wird es, wenn einem wirtschaftlich oder demografisch bedingten Rückgang in der Weiterbildungsnachfrage nicht unmittelbar entgegengewirkt wird. Dann ist zu befürchten, dass Anbieter sich auf besonders rentable Angebote für zahlungskräftigte Teilnehmer fokussieren, um so ihr finanzielle Stabilität zu gewährleisten.
Gerade niederschwellige Angebote für weiterbildungsbenachteiligte Personen drohen dann auf der Strecke zu bleiben, weil sie ohne entsprechende Förderung weniger Gewinn einbringen.
Wandelnde Bedarfe durch Kooperationen erkennen
Der aktuelle Weiterbildungsatlas konnte erneut zeigen, wie wichtig die bereits im ersten Atlas identifizierten Handlungsfelder sind. Die Kooperation kommunaler Akteure, eine unabhängige Beratung und die Erreichbarkeit der Weiterbildungsangebote spielen auch auf kommunaler Ebene eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus zeigt sich hier noch stärker als auf Ebene der Raumordnungsregionen, wie eng die Weiterbildung mit der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung verknüpft ist. Da in den einzelnen Kommunen schließlich ein sehr unterschiedliches Weiterbildungsangebot vorgehalten wird, müssen Bürger – je nach Bedarf – auch Angebote in anderen Kommunen nutzen.
Diese Aspekte sind bei Kooperationen kommunaler Akteure explizit im Blick zu halten. Die Akteure sollten sich darin abstimmen, welche Angebote wo gemacht werden. Gerade in Zeiten eines Nachfragerückgangs durch wirtschaftliche oder demografische Entwicklungen müssen sie auch berücksichtigen, dass weite Entfernungen (und eine möglicherweise schlechte Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr) für viele Menschen eine hohe Hürde darstellen. Gerade weiterbildungsbenachteiligten Personen wie beispielsweise Geringqualifizierte sollte daher auch in schlechten Zeiten ein ausreichendes Angebot vor Ort gemacht werden. So lassen sich Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und beruflichen Fortschritt erhalten.