Wunsiedel im Fichtelgebirge

Chancen nutzen im Strukturwandel                        

Im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge ist die Weiterbildungsbeteiligung besonders hoch. Die Teilnahmequote liegt mehr als 70 Prozent über dem statistisch zu erwartenden Durchschnittswert. 2012 war dies die zweithöchste Potentialausschöpfung in Deutschland. Ein guter Grund, diesen Landkreis, seine Bevölkerung sowie die Wirtschaft und Weiterbildungslandschaft vor Ort genauer in den Blick zu nehmen.

Der Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge besteht aus 17 Gemeinden. Sie liegen im Nordosten Bayerns, genauer gesagt im Frankenland. Tschechien und das Land Sachsen sind nah. Dank des Oberzentrums Wunsiedel/Marktredwitz sowie des Nebenzentrums Selb sind Anfahrtswege mit dem Auto relativ kurz. Elf Minuten zum Ober-, acht Minuten zum Mittelzentrum und 11 Minuten zum nächsten Autobahnanschluss: Auch im Landes- und Bundesvergleich sind das sehr gute Werte.


Die Wunsiedler werden weniger und älter, die Arbeitslosigkeit sinkt

Rund 74.000 Einwohner hatte der Landkreis im Jahr 2013. Das sind 7,1 Prozent weniger als noch 2007. Im selben Zeitraum konnte Bayern um 0,7 Prozent zulegen. Gemäß Zensus 2011 betrug das Durchschnittsalter im Landkreis Wunsiedel 46,4 Jahre, lag also deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 43,4 Jahren. Die jüngeren Altersgruppen stagnieren oder schrumpfen. Der Anteil der 50- bis 65-Jährigen wuchs hingegen zwischen 2007 und 2012 von 20 auf 23 Prozent. 49 Prozent der Bevölkerung sind über 50 Jahre alt – in der Bundesrepublik liegt der Wert mit 42 Prozent deutlich niedriger. Wunsiedel im Fichtelgebirge ist geprägt durch eine deutliche demografische Überalterung. 

Gut die Hälfte der Bevölkerung des Landkreises hat einen Haupt- bzw. Volksschulabschluss. Ebenso groß ist der Anteil derer, die als höchsten beruflichen Abschluss eine Ausbildung im dualen System vorweisen können. Mit 3,5 Prozent liegt der Anteil der Hochschulabsolventen unter dem Bundesdurchschnitt von 7,9 Prozent. Der Anteil der Personen ohne Ausbildung sank zwar zuletzt, lag aber 2012 noch über dem Bundesmittel. 

Die Bruttowertschöpfung im Landkreis stieg zwischen 2007 und 2012 um 12,7 Prozent an. Das liegt über dem bundesweiten Durchschnitt und knapp unter der Entwicklung Bayerns. Den größten Anteil daran hatte das produzierende Gewerbe, gefolgt von den Dienstleistungen. Die Arbeitslosenquote lag mit Blick in Richtung Bund im Jahr 2007 auf einem ähnlichen Niveau von rund neun Prozent und sank dann auf 5,3 Prozent im Jahr 2012 (Bund: 6,8). Analog verlief die Entwicklung der verfügbaren Haushaltseinkommen: Diese stiegen auf zuletzt 21.345 Euro. Sie liegen damit über dem Bundesmittel, aber noch unter dem Durchschnittseinkommen in Bayern.  

Aufgrund dieser Wirtschafts- und Sozialstrukturdaten wäre für den Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge eine unterdurchschnittliche Teilnahme an Weiterbildungen zu erwarten. Statt der statistisch zu erwartenden Teilnahmequote von 10,2 Prozent liegt die tatsächliche Quote jedoch bei 18,2 Prozent.

Ein genauerer Blick in die Geschichte des Landkreises zeigt, dass Wunsiedel im Fichtelgebirge bereits größere wirtschaftliche Umbrüche hinter sich hat. So sind in den vergangenen 20 Jahren weite Teile der traditionsreichen Porzellanindustrie weggebrochen. Eine Herausforderung, mit der die Region auch heute noch zu kämpfen hat. Trotzdem ist die Industrie immer noch der wichtigste Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor, nun allerdings verstärkt im Metallsektor. Derartige Transformationsprozesse ziehen sich erfahrungsgemäß über Jahrzehnte hin. Es liegt also nahe, dass dieser Strukturwandel auch künftig zum beruflichen Weiterbildungsbedarf beiträgt. 

Ein weiterer entscheidender Faktor in der Region ist der demografische Wandel. Er sorgt für Weiterbildungsbedarf in den Bereichen Gesundheit und Pflege. So wurde im Untersuchungszeitraum des Weiterbildungsatlas zum Beispiel die dreijährige Ausbildung zum Altenpfleger nach Änderung des Altenpflegegesetzes komplett übernommen – mit entsprechend hohen Teilnahmezahlen.


Vielfältige Weiterbildungsstrukturen

Auffällig ist im Landkreis Wunsiedel das breite Weiterbildungsspektrum im Bereich der Allgemeinbildung. Drei Volkshochschulen mit 15 Standorten sowie zahlreiche kirchliche Einrichtungen, Vereine und Verbände erschließen den Bereich der Erwachsenenbildung – von kulturellen Angeboten, Familien- und Glaubensthemen über Umwelt- und Naturschutz bis hin zu beruflicher Bildung. 

Im Zentrum der rein beruflichen Bildung steht die gemeinnützige Gesellschaft bfz, das Berufliche Fortbildungszentrum Marktredwitz. An zuletzt vier Standorten im Landkreis deckt das bfz seit rund 30 Jahren den Bedarf nach beruflicher Weiterbildung. Das Programm umfasst zielgerichtete Angebote für die unterschiedlichsten Berufe und Branchen, von der Metallverarbeitung bis hin zu Verkaufsschulungen. Erst im Jahr 2012 ist noch eine Akademie für Pflege, Gesundheit und Soziales hinzugekommen.

Die Kontakte zwischen den Akteuren auf dem Weiterbildungsmarkt sind über viele Jahre gewachsen. Die Zusammenarbeit wird als persönlich und vertrauensvoll beschrieben. Um die Netzwerkarbeit zu verbessern, möchte der Landkreis aber die bestehenden Netzwerke durch eine Zertifizierung noch sichtbarer machen. Zudem soll ein Bildungsbüro entstehen, das besonders private Anbieter stärker in die Kooperationen einbindet.  

Vitale Netzwerke können die Weiterbildungsteilnahme vor Ort positiv beeinflussen. Das hat auch schon der vorangegangene Weiterbildungsatlas gezeigt. Für den Landkreis Wunsiedel bedeutet eine forcierte Netzwerkarbeit somit eine große Chance, um die ohnehin schon hohe Teilnahmequote in der Weiterbildung halten oder sogar steigern zu können.


Wandel braucht Koordination

Der Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge befindet sich in vielerlei Hinsicht im Wandel: wirtschaftlich, demografisch und auch in der Organisation von Weiterbildung. Dass die Potenzialausschöpfung die zweithöchste in Deutschland ist, mag zum einen an einer Bevölkerung liegen, die den Wert von Weiterbildung durch den bereits vollzogenen Strukturwandel schätzen gelernt hat. Zum anderen spielt auch die staatliche Förderung von Erwachsenenbildung sicherlich eine Rolle.

Die Aufgabe eines nachhaltig wirksamen Bildungsmanagements liegt in der Koordination des vielfältigen Weiterbildungsangebotes und seiner Akteure. Eine besondere Herausforderung ist dabei der hohe Qualifikationsbedarf auf Unternehmensseite bei gleichzeitig steigendem Durchschnittsalter und sinkenden Bevölkerungszahlen


Studie Deutscher Weiterbildungsatlas

Die Broschüre des Deutschen Weiterbildungsatlas bietet Ihnen alle zentralen Ergebnisse und Zusammenhänge in kompakter Form. Neben den Berichten mit der Einordnung der Ergebnisse, finden Sie hier alle wichtigen Karten und Grafiken. Darüber hinaus finden Sie hier auch die Kurzfassungen der Fallstudien sowie Ausführungen zur Methodik.
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Kapitel Fallstudien

Kurzfassung der Fallstudien aus dem zweiten Deutschen Weiterbildungsatlas (Auswertungszeitraum 2012/2013).
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