Darmstadt

Betriebliche Weiterbildung als Schlüsselfaktor                      

Es muss nicht immer ein besonders großes Weiterbildungsangebot sein, das auch zu einer großen Nachfrage führt: Genau das zeigt das Beispiel Darmstadt. Mit der bundesweit höchsten Teilnahmequote an Weiterbildung (23,1 Prozent) sticht die Stadt deutlich aus den restlichen 401 Kommunen heraus. Dabei lässt das in 2012 vorhandene Angebot eigentlich einen niedrigeren Wert vermuten. Was sind also die Gründe, dass Weiterbildung die Bevölkerung so gut erreicht? Darum geht es in dieser Fallstudie.


Urbanes Leben mit kurzen Wegen

Darmstadt, Oberzentrum von Südhessen: Ein kompakter Innenstadtbereich und wenige eingemeindete Randbezirke kennzeichnen diese kreisfreie Stadt. In diesem Lebensraum mit nur kurzen Entfernungen sind die Bewohner häufiger zu Fuß, mit dem Rad oder dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs als in vielen anderen Regionen. Die verkehrsmäßige Anbindung an benachbarte Oberzentren wie Frankfurt oder Wiesbaden ist exzellent. 

Rund 154.000 Menschen leben in Darmstadt, davon knapp 96.000 in den Innenstadtbezirken. Und es werden ständig mehr: Entgegen dem bundesweiten Trend nimmt die Bevölkerung zu. Laut Prognosen wird im Jahr 2030 die Marke von 160.000 Einwohnern überschritten werden. Auffällig: Der Anteil der 18- bis 29-Jährigen liegt mit aktuell 19 Prozent über dem Bundes- und Landesschnitt von rund 14 Prozent. Der Bevölkerungsanteil der über 50-Jährigen hingegen ist kleiner als bei Bund und Land. 

Fast 40 Prozent der Darmstädter Bevölkerung haben das Abitur, etwa doppelt so viele wie in Gesamtdeutschland. Die Zahl der mittleren Schulabschlüsse liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Der Blick auf die Berufsabschlüsse zeigt: Akademiker und Fachhochschulabsolventen sind überdurchschnittlich häufig vertreten, Absolventen einer Ausbildung im dualen System hingegen weniger. 

 

Mit 3.743 Euro liegt das monatliche Medianeinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Darmstadt im Jahr 2012 sowohl über dem Landesmittel von 3.034 Euro als auch über dem Bundesdurchschnitt von 2.754 Euro. Auch das Bruttoinlandsprodukt liegt über dem von Bund und Land. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 6 Prozent und damit minimal über der von Hessen und rund ein Prozent unter der Quote in Deutschland. 

Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Darmstadt zählen Unternehmen wie Computer Associates, Evonik, Deutsche Post, Merck oder auch die Software AG. Ein Ansatzpunkt bei der Ursachensuche für die hohe Weiterbildungsteilnahme sind deshalb die betrieblichen Angebote.


Weiterbildungsangebote leicht rückläufig

Darmstadts Weiterbildungslandschaft (inklusive des umliegenden Landkreises Darmstadt-Dieburg) war zwischen 2007 und 2011 nicht besonders wachstumsstark. Volkshochschulen und privatwirtschaftliche Anbieter verzeichneten keinerlei Aufschwung. Im Gegenteil, die Anzahl der VHS-Kurse nahm sogar ab. In beiden Feldern liegt Darmstadt auch unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt. Anders die betrieblichen Angebote in der Region: Diese weisen einen fast doppelt so starken Anstieg auf wie auf Bundesebene. Betriebliche Weiterbildung scheint hier also eine wichtige Triebfeder für die hohe Weiterbildungsbeteiligung zu sein. 

Einen weiteren Anhaltspunkt dafür liefert auch der Konjunkturaufschwung 2011 und 2012. Laut IHK und Unternehmensverband Südhessen haben in diesem Zeitraum zahlreiche Unternehmen in der Region ihr Personal aufgestockt. Drohenden Engpässen im Fachkräftebereich begegneten die Unternehmen mit eigenen Weiterbildungsmaßnahmen. In einer Umfrage haben sich die Unternehmer dafür ausgesprochen, auch in Krisenzeiten auf betriebliche Weiterbildung zu setzen. 

Auch das IHK-Projekt „Engineering Region Darmstadt Rhein Main Neckar“ verfolgt eine klare Standortpolitik: Kooperationen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sollen dafür sorgen, die Region bei Fachkräften, Investoren und Unternehmen bekannter zu machen. Ein weiteres Beispiel ist die Aktion „Gemeinsam für Fachkräfte“: Unter diesem Motto haben die Darmstädter IHK, Handwerkskammer, Agentur für Arbeit und Jobcenter 2011 ein Projekt für betriebsnahe Nachqualifizierung gestartet. 

Ebenfalls im Jahr 2011 startete der Unternehmerverband gemeinsam mit dem Arbeitskreis Hochschule-Wirtschaft Südhessen eine Kommunikationsplattform. Sie soll neue Netzwerke zwischen Wirtschaft und Wissenschaft schaffen. Noch jünger ist der „HessenCampus Darmstadt“, der Ende 2012 gegründet wurde – ein regionales Bildungsnetzwerk, zu dem VHS, Arbeitsagentur Darmstadt sowie das staatliche und das städtische Schulamt gehören. 

Bereits seit Jahren bestehen dagegen das „Qualitätsnetz Weiterbildung Südhessen“ mit einer umfassenden Weiterbildungsdatenbank, der „Weiterbildung Hessen e.V.“ mit landesweit 320 Bildungseinrichtungen, das Hochschulportal für wissenschaftliche Weiterbildung in Hessen „WissWeit“ oder auch die „frauenbildung-starkenburg“ mit einer Datenbank für Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten speziell für Frauen. Damit hat Darmstadt eine öffentliche und privatwirtschaftliche Weiterbildungslandschaft, die zwar kleiner ist als im Bundes- und Landesvergleich, die dafür aber eng kooperiert, sich stetig weiterentwickelt und transparent ist.


Nicht zu sehr auf Unternehmen setzen

Kurze Verkehrswege in einem dicht besiedelten Stadtraum, eine aufstrebende Konjunktur sowie engagierte und koordinierte Netzwerke als unabhängiger Zugang zu Weiterbildungsberatung und -vermittlung sind sicherlich eine gute Basis, um Darmstadt bei der Weiterbildungsbeteiligung so positiv aufzustellen. Aber auch Unternehmen, die ihren Fachkräftebedarf durch betriebliche Fortbildungen begegnen, scheinen hier eine große Rolle zu spielen.

Trotz aller Freude über die daraus resultierenden positiven Weiterbildungszahlen hat das unternehmerische Engagement seine Kehrseite. So deutet sich an, dass sich öffentliche und privatwirtschaftliche Weiterbildungsanbieter eher zurückziehen. Eine Entwicklung, die eines Tages zum Problem werden könnte. Dann nämlich, wenn Weiterbildung vor Ort nicht mehr durch die regionale Wirtschaft getragen wird. Gerade im Rahmen der öffentlich geförderten Weiterbildung dürfen hierbei Zielgruppen außerhalb der Erwerbstätigkeit nicht aus dem Auge verloren werden.


Studie Deutscher Weiterbildungsatlas

Die Broschüre des Deutschen Weiterbildungsatlas bietet Ihnen alle zentralen Ergebnisse und Zusammenhänge in kompakter Form. Neben den Berichten mit der Einordnung der Ergebnisse, finden Sie hier alle wichtigen Karten und Grafiken. Darüber hinaus finden Sie hier auch die Kurzfassungen der Fallstudien sowie Ausführungen zur Methodik.
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Kapitel Fallstudien

Kurzfassung der Fallstudien aus dem zweiten Deutschen Weiterbildungsatlas (Auswertungszeitraum 2012/2013).
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